Archiv: Ausstellungen

27.08. bis 15.10.2006

Achim Reimann

Malerei

Bei Achim Reimanns Bildern bleibt das Weiß der Grundierung als Gegensatz der Farbenvielfalt erhalten und für den Bildeindruck entscheidend. Denn es gehört zum Charakteristikum seiner Bilder, das die Farbformen, ob es nun in den Kleinformaten nur wenige oder aber in den Großformaten viele sind, die grundierte Leinwand immer nur partiell, nie ganz bedecken. Insofern muss man sprechen von einer Malerei, die bestimmt ist durch ihre Entgegensetzung zum Weiß des Grundes, auf den sie aufgetragen ist. Selbst noch in den neuesten Großformaten halten die entsprechend vervielfältigen Farbeintragungen Abstand voneinander und lassen die vorbereitete Leinwand – im Sinn des Wortes – als Grundbedingung der Bemalung offen sichtbar.

Dabei baut Achim Reimann mit seinen Bildern gerade nicht auf den Errungenschaften einer hochentwickelten malerischen Tradition der Ilusionsbildung auf, sondern greift hinter diese zurück auf den Fundus eines elementaren Ausdruckswillens, welcher unbekümmert ist um alle überkommenen geschichtlichen Unterscheidungen zwischen einer sogenannten gegenständlichen und einer sogenannten ungegenständlichen oder auch konkreten Kunst. Achim Reimann setzt sich gewissermaßen an den Anfang allen malerischen Hervorbringens mit einer Frage, die sich vielleicht so formulieren lässt: Wie kann man das farbige Ausgangsmaterial des Malers in Gebrauch nehmen, d. h. – mit einem Begriff Michael Podros zu reden – es zum Medium machen und mit ihm sowohl gegnstandslose wie gegenständliche Details erschaffen, welche die Frische eines soeben Gemachten behalten.

Im Grunde bleibt bei Reimann unentscheidbar, was in seiner Malerei eigentlich zählt: Zählt die Anschauung einer aus einer Farbtube gedrückten un- oder besser: vorgegenständlichen Ölsubstanz, und sieht man also auf diese als solche hin, oder zählt die durch die Ölfarbe erzeugte Vorstellung von (ebenfalls aus einer Tube gedrückten) Mayonnaise, die man dann sozusagen in die Farbmaterie hineinsehen würde. Hinsehen und Hineinsehen oder auch Anschauung und Vorstellung wechseln angesichts von Reimanns Malerei einander ab. Statt einer Alternative zwischen Anschauung und Vorstellung hat man es bei seinen Bildern mit einem Übergang oder einem Hin und Her zwischen beiden zu tun. An die Stelle eines Entweder-Oder tritt bei ihm ein Sowohl-Als-Auch: Das Ungegenständliche erscheint in seiner Malerei im Horizont des Gegenständlichen wie auch umgekehrt das Gegenständliche im Horizont des Ungegenständlichen erscheint. Überall ist das eine mit dem anderen gemeinsam gegenwärtig. Ein Pfifferling beispielsweise erscheint im Bild als Gegenstand gleichsam offen auf sein vorgegenständliches Substrat der braunen Farbmaterie wie umgekehrt dieses vorgegenständliche Substrat der braunen Farbmaterie offen erscheint auf den Gegenstand, und zwar nicht so sehr im Sinne eines Umspringeffekts, bei dem man, wenn man das eine sieht, das andere nicht mehr sehen kann, sondern eher im Sinne eines beständigen Übergangs zwischen dem Verschiedenen. Reimanns Malerei verhindert jede nur einseitige Orientierung unseres Sehens entweder auf das Gegenständliche (den Pilz beispielsweise) oder auf das Gegenstandslose (die braune Farbmaterie). Sie schafft durch wechselseitige Anverwandlung des Gegenstandslosen mit dem Gegenständlichen eine Anschauungseinheit, in der weder das Gegenständliche noch das Gegenstandslose in der Ausschließlichkeit ihres jeweiligen Selbstseins zur Geltung kommen und das eine/andere immer im Übergang zum anderen/einen vor Augen tritt, mithin im Übergang zu demjenigen, was es jeweils nicht ist.

Eröffnung: Sonntag, 27. August 2006 um 11 Uhr
Es spricht:
Ulrich Fernkorn

Hier können Sie den Redetext von Ulrich Fernkorn lesen (PDF, leicht gekürzt).

 
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