Videokunstprojekt

29. November 2024 bis 28. März 2025

SEQUENCE #5: Von Tieren und Täuschungen

Videokunst im öffentlichen Raum

Mit Werken von
Marcel Buehler, Norbert Kraus, Corinna Schnitt und Paul Spengemann

Bereits zum fünften Mal bespielt der Kunstverein Bochum dem Winter über die Fensterfront am Haus der Kortum-Gesellschaft Bochum mit Videokunst. Von Dezember bis März sind wieder in monatlichem Wechsel vier Videoarbeiten in Großprojektion zu sehen. Unter dem Titel „Von Tieren und Täuschungen" widmet sich das diesjährige Programm der grundsätzlichen Frage, inwieweit wir Bildern und dem, was sie uns zeigen, trauen können.

Tiere sind bekanntlich Meister der Täuschung. Manche Art setzt auf die perfekte Täuschung als Überlebensstrategie. Doch nicht nur im Tierreich treffen wir auf Strategien der Täuschung, auch das projizierte Videobild ist letztlich eine Täuschung: Es führt uns in aller Regel Dinge und Geschehnisse vor Augen, die zu anderer Zeit und an anderem Ort sichtbar waren. Es bringt eine materielle Welt zum erscheinen, bleibt dabei als Projektion jedoch selbst stets bloße Lichterscheinung.

Die ausgewählten Arbeiten knüpfen an Täuschungsstrategien des Tierreiches an, reflektieren aber zugleich ihre eigene Medialität. Verfahren wie Animation, Tricktechnik, s/w-Bilder und Inszenierung werden als medienspezifische Aspekte künstlerisch aufgegriffen und verweisen sichtlich auf eine systemimmanente Künstlichkeit der Bilder. In Zeiten einer überhandnehmenden digitalen, inzwischen oftmals KI generierten Bilderflut, in denen die Grenzen zwischen Bild und Wirklichkeit immer mehr verwischen, wird hier der täuschende Charakter von Bildern zum grundsätzlichen Thema.

Die Projektionen sind täglich ab Einbruch der Dunkelheit zu sehen und öffentlich zugänglich. Ort: Haus der Kortum-Gesellschaft Bochum, Bergstr. 68a (Eingang Stadtpark, gegenüber Kunstmuseum)

 

PROGRAMM

29.11.24 – 2.1.25
Corinna Schnitt | Once upon a time
HD-Video, 2005, 25 Min., Farbe, Ton

Eine Kamera auf dem Teppich des Wohnzimmers rotiert um ihre eigene Achse und nimmt so eine kontinuierliche Panoramaansicht auf. Nach und nach füllt sich das Zimmer: Katzen, Hunde, Kaninchen, Papageien bis hin zu Ziegen und Ponys bevölkern den Raum. Mit Spannung wartet der Betrachter auf die nächste Drehung, denn die Szenen, die sich vor und hinter der Kamera abspielen, sind ein durchaus lustiges wie tragisches Spektakel. Inszeniert ist nur der Rahmen, was dann passiert, wird den Tieren (scheinbar) selbst überlassen.

Der Mensch bleibt außen vor, zumindest physisch. Die Absurdität der Konfrontation von menschlichem Wohnraum und Tieren, deren Existenz direkt an den Menschen gekoppelt ist, bereitet Vergnügen. Doch es ist genau diese Umkehrung der Normalität, die dem Betrachter klar macht, wie absurd die eigentliche Wirklichkeit ist. (Simone Bogner)

3.1.- 30.1.25
Norbert Kraus | Krähenflug
Computeranimation XGA, 2005, 3:16 Min., Farbe ohne Ton

Norbert Kraus nutzt seit den 90er Jahren die Verfahren der computergenerierten Animation. Seine meist kurzen Videos führen uns artifizielle Bildwelten vor Augen, die in einer reduzierten Bildsprache ihre digitale Herkunft und damit ihre Künstlichkeit offenbaren. In „Krähenflug" sehen wir eine Schar der titelgebenden Vögel, die in unterschiedlichen Formationen das Bildfeld durchfliegen, um sich schließlich auf vereinzelten Ästen niederzulassen. Das komplexe Zusammenspiel von Flügelschlag und Flugbahn wird dabei zur Grundlage einer figuralen Choreografie.

Augenfällig ist das minimalistische Setting, das gänzlich auf die Ausgestaltung des Raumes verzichtet. Die Vögel bewegen sich vor einem leeren, weißen Hintergrund. Lediglich die Äste – es könnten auch strichartig angedeutete Bäume sein – durchbrechen punktuell die Leere des Bildraums. Gleichwohl reichen diese wenigen Hinweise, um unweigerlich einen Eindruck von Räumlichkeit zu erzeugen. Norbert Kraus' Videoarbeit wird damit nicht zuletzt zur künstlerischen Metapher unserer Weltsicht, die zwangsläufig immer fragmentarisch bleiben muss. Aus einer begrenzten Mengen von Informationen generieren wir auf Basis eigner Erfahrungen und innerer Projektionen ein holistisches Bild von der Welt, das letztlich immer nur das jeweils unsere sein kann.

31.1. – 27.2.25
Marcel Buehler | Chameleon in a mirror box
4K-Video, 2002/2024, 0:56 Min., Loop, Farbe, ohne Ton

Kaum eine Tierart ist in der allgemeinen Wahrnehmung derart mit Strategien der Täuschung verbunden wie das Chamäleon. Seine Fähigkeit, sich durch Farbveränderung perfekt an seine Umgebung anzupassen, schützt es in seiner realen Lebenswelt, lässt es zugleich aber auch zum Gegenstand eines Gedankenexperiments auf dem Feld der Kybernetik werden: dem Chamäleon in der Spiegelbox. Was würde mit dem Tier geschehen, wäre es von nichts weiter umgeben als von den Abbildern seiner selbst. Würde es alle seine ihm möglichen Farben in nicht vorhersehbaren Abfolgen und Mustern zeigen, oder gänzlich farblos bleiben.

Marcel Buehler greift dieses Gedankenexperiment in seinem Video „Chameleon in a mirror box" künstlerisch auf. Vordergründig scheint sich hierbei eine Antwort zu finden, verharrt das Chamäleon doch tatsächlich farb- und regungslos in der Spiegelbox. Zugleich aber zerfließen die Kategorien einer eindeutigen Bestimmbarkeit von Bild und Welt, von Realität und Projektion. Und was aufgrund der Regungslosigkeit des Tieres eher für ein Standbild denn für einen Film gehalten wird, entpuppt sich lediglich an einem kleinen Detail, dem ab und zu bewegten Auge des Tieres, als Bewegtbild.

28.2. – 28.3.2025
Paul Spengemann | Walking Stick
HD-Video, 2017, 11 Min., Farbe, Ton

In subjektiven Kamerabewegungen mit knackenden Ästen, in Nachtansichten, die nur von einem wackeligen Lichtkegel beleuchtet werden oder in langen, stillen Einstellungen, die immer wieder dem Hoffen auf die Ankunft des lang erwarteten „Tiers" Ausdruck verleihen, nimmt der Film amateurhaft die Bildsprache von Natur-Filmen auf. In langsamen Bewegungen erkunden 13 Ästchen, die gemeinsam als ein Körper agierend eine Stabheuschrecke imitieren, eine private Wohnung. Dabei sind die Ästchen weder ganz Geist noch ganz Materie. In seiner Fiktion lässt der Film offen, wer hier eigentlich spricht, Realität und Imagination sind längst eins. (Rebekka Seubert)

ORT

Haus der Kortum-Gesellschaft Bochum, Bergstr. 68a
(Eingang Stadtpark, gegenüber Kunstmuseum)

 
 
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