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19.09. - 02.10.2020

Martin Brand

Shefighter

Martin Brand
Shefighter
Germany 2015/20 · Single-Channel VideoHD-Video · 16:9 · Color · SoundMusical Composition by Tommy Finke

Parallel zur Präsentation im Internet ist die Arbeit während der regulären Öffnungszeiten auch als Großprojektion im Ausstellungsraum zu sehen.

In Live Action-Rollenspielen begeben sich die Teilnehmer in eine andere Realität. Anders als bei einem Computerspiel, das ein Erleben der simulierten Welten über einen sogenannten Charakter ermöglicht, bewegen beim LARP (Live Action Role Playing) die Spieler jedoch keine Figuren, sondern betreten die fantastischen Orte selbst, um als ein bestimmter Charakter, dessen Kleider auch übernommen werden, am Plot teilzunehmen. In dem konstruierten Setting, das meist das Mittelalter oder Fantasy-Welten aufruft, findet das Verkleidetsein der Teilnehmer seine Entsprechung.
In seiner Vidoearbeit „Shefighter" (2015/2020) beleuchtet Martin Brand das artifizielle Moment der Live-Rollenspiel-Welten und verschleift die verschiedenen Genres miteinander, aus denen sich das Spiel speist. Protagonistin seiner Arbeit ist eine Frau, deren hautenges Lederkostüm der Lederrüstung einer Amazone gleicht. Mit Schwert, Pfeil und Bogen ausgestattet, bewegt sie sich jedoch nicht durch eine Abenteuer-Fantasy-Welt, sondern über eine Fläche eines Großmarktes. Hier laufen die Bewegungen des Schwertes und der Schuss des Bogens ins Leere, da ein narratives Moment fehlt. Durch das Fehlen der Handlung gerät die Frau allerdings stärker in den Fokus, lenkt doch nichts von ihrer Erscheinung ab – ganz im Gegenteil. Die Nahaufnahmen, die den konzentrierten Blick und das Lederkostüm in den Mittelpunkt rücken, setzen die Eigenschaften der Figur in Szene.
Es sind die eingeblendeten Sequenzen, die den Kontext ergänzen und die Frau in ein größeres Ganzes einbetten. Ein Ausschnitt aus Pedro Almodóvars Film „Hable con ella" (2002), der eine Torera beim Stierkampf zeigt, die schießende Niki De Saint Phalle, Fragmente der Serie „Red Sonja", Ausschnitte aus Computerspielen und Animationen, in denen Kostüme von Game-Figuren nachkonstruiert werden, rufen hier das Thema der kämpfenden und kriegerischen Frau auf. Physische Kraft, Mut und auch Aggressionen werden hier nicht mit Männlichkeit konnotiert, sondern dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben. Damit durchkreuzt Brand das von patriarchalen Vorstellungen genährte Bild der physisch unterlegenen und schwachen Frau.
Das Moment des Kampfes und die damit verbundene Anspannung und Konzentration werden von einem schrillen Sound begleitet, der die Sequenzen, insbesondere die des Bogenschusses, dramatisch auflädt. Erst als die Kriegerin ihren Waffen ablegt und sich Tanzschritten widmet, wird es still und es ist nur noch ein Rauschen wahrnehmbar, das auch in den Anfangssequenzen zu hören ist.
Pauline Yeo, Protagonistin von „Shefighter", kommt bereits in Brands Projekt „Role Play" (2014) vor. Auch „Role Play" hat Live-Rollenspiele zum Thema und zeigt Portraits von Menschen, die in ihrer Freizeit in andere Rollen schlüpfen. Bereits hier wurden die Rollenspieler aus dem Fantasy-Kontext herausgelöst, indem Brand sie vor einer schwarzen Wand abgelichtet hat. In „Shefighter" wird die Kriegerin in eine gewöhnliche Umgebung versetzt, auf eine Fläche eines Kölner Großmarktes. Der Kontrast zur Fantasy-Welt könnte nicht größer sein, und dennoch durchzieht das spannungsgeladene und dramatische Moment des Kampfes die gesamte Arbeit.

Agnes Sawer

 

Gefördert durch die Stadt Bochum

Ausstellungsraum

Haus Kemnade
An der Kemnade 10
45527 Hattingen
Tel. 02324 – 30268

Anfahrt:
A 43, Abfahrt Witten-Herbede, Richtung Hattingen

Bushaltestelle: Haus Kemnade, VRR Linie 350

Öffnungszeiten

Im Sommer (Mai bis Oktober):
Dienstag bis Sonntag, 12.00 Uhr - 18.00 Uhr

Im Winter (November bis April):
Dienstag bis Sonntag, 11.00 Uhr - 17.00 Uhr

Montags geschlossen.

 
 
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