03.05. bis 17.06.2009
Rechnender Raum ist ein
kontemplatives geschlossenes System, basierend auf einem zellularen Automaten.
Die filigrane Konstruktion besteht aus Holzstäben, Schnüren, Hebeln, Gewichten
und elektrischen Schaltungen. Rechnender Raum ist eine digitale
Symbolverarbeitungsmaschine, jedoch ist die übliche Anordnung von Prozess
(Innen) und Ausgabe (Aussen) invertiert. Der prozessierende Teil ist nach
Aussen verlagert und im Zentrum der Maschine befindet sich die Ausgabe, ein aus
Gummibändern gespanntes 3D-Gitter das durch Schnüre von Aussen bewegt wird. Die
Maschine besteht aus einem horizontalen und einem vertikalen Kreislauf
(Kopplungen). Aus diesen Kreisläufen ergibt sich die Form eines Torus. Durch
einen initialen Impuls an einem der Hebel in Gang gesetzt, breitet sich dieser
Impuls in der gesamten Maschine aus. Aufgrund der Kopplungen arbeitet die
Maschine in einer Endlosschleife und durchläuft dabei endlos ihren möglichen
Zustandsraum. Dieser Prozess wird von der Verklanglichung des Zustandes jeder
einzelnen Zelle begleitet.
Das Grundprinzip der Mechanik beruht auf der Idee, Information durch Schnüre zu
übermitteln. Die Zustände gezogen/nicht gezogen bilden die binären Symbole 0
und 1 ab. Die Logik ist gravitationsgebunden, d.h. der Signalfluss verläuft
immer von oben nach unten und wird durch Gewichte verstärkt. Alle weiteren
boolschen Operationen (nicht/und/oder) werden durch eine entsprechende Verknüpfung
durch Ösen, Hebel und Gewichte realisiert. Ein logisches "nicht"
(Inverter) kann z.b. durch einen mittig gelagerten Hebel (Wippe) realisiert
werden. Wird die eine Seite des Hebels nach oben (logische 1) gezogen bewegt
sich der Hebel auf der gegenüberliegenden Seite nach unten (logische 0). Da
Übertragung und Operation sehr direkt funktionieren, müssen zur Entschleunigung
Verzögerungsmodule, bestehend aus einem Sensor (Schalter), Timer
(Microcontroller) und Aktor (Servo), eingebaut werden. Diese Module entkoppeln
den direkten Informationsfluss und sonifizieren den Zustand einer Zelle mit
Hilfe kleiner Piezo-Lautsprecher. Aus diesen Elementen (Signalträger,
Operationen und Verzögerungsmodule) ist der Rechnende Raum, ein 1-dimensionaler
zellularer Automat (Regel 110), gebaut. Die Konzepte zu zellularen Automaten
wurden von Stanislaw Ulam und John von Neumann für ihre Forschung an
Kristallwachstum und selbst-replizierenden Systemen in den 40er Jahren
entwickelt. Der Begriff "Rechnender Raum" stammt von Konrad Zuse. In
seinem gleichnamigen Buch von 1969 schlägt er vor, die physikalischen Gesetze
des Universums als diskret und darüber hinaus als Ausgabe einer
deterministischen Berechnung eines gigantischen zellularen Automaten zu
betrachten: "Es geschah bei dem Gedanken der Kausalität, dass mir
plötzlich der Gedanke auftauchte, den Kosmos als eine gigantische
Rechenmaschine aufzufassen." Die Maschine besitzt 27 Zellen die aus
jeweils 12 logischen Operatoren und einem Signalverzögerer zusammengesetzt
sind. Jede Zelle des Automaten ist autonom, d.h. nicht zentral gesteuert und
steht nur mit ihren Nachbarzellen in Verbindung. Werden Änderungen in der
Nachbarschaft registriert berechnet sie anhand einer einfachen Regel ihren
neuen Zustand und gibt ihn über das Verzögererungsmodul verstärkt an ihre
Nachbarzellen weiter. Durch das Zusammenspiel der einzelnen Zellen erzeugt die
Maschine ein komplexes Verhalten. Der Rechnende Raum arbeitet parallel und
besitzt keinen zentralen Takt. Die Maschine findet nach einigen Zyklen ihren
eigenen Arbeitsrythums.
Homepage Ralf Baecker
Eröffnung:
Sonntag, 3. Mai 2009 um 11 Uhr
Es spricht:
Reinhard Buskies
Künstlergespräch: Sonntag, 24. Mai 2009 um 11 Uhr