Archiv: Video Stage

08.08. - 21.08.2020

Franziska Windisch

walk with the wire

Franziska Windisch
walk with a wire
2018
Video, 9'12'', Farbe, Ton

Das künstlerische Interesse von Franziska Windisch richtet sich auf die Dimension des Klanglichen. In diversen Formaten wie Klanginstallationen, Konzerten und Performances, aber auch in Hörstücken, Audiofiles oder Videos reflektiert sie ästhetische, technische und gesellschaftliche Implikationen der Produktion, Reproduktion und Rezeption klanglicher Ereignisse und agiert dabei an den Schnittellen von Sprache, Klang, Geräusch und Musik. Oft sind es die leisen, kaum beachteten Klangphänomene und vermeintlichen Nebengeräusche, die Windisch in den Fokus einer aufmerksamen Wahrnehmung rückt.

Davon zeugt auch die Videoarbeit walk with a wire, die in engem Zusammenhang mit der gleichnamigen Performance im Jahr 2018 entstanden ist. In einer einzigen, gut neunminutigen Einstellung zeigt das Video, wie das abgerollte Magnetband einer Tonbandkassette durch die Hand der Künstlerin gleitet. Durch die ruhige, gleichmäßige Bewegung und die behutsam tastenden Finger entsteht der Eindruck, dass das Band ausgelesen, oder mehr noch, buchstäblich abgetastet wird.

Das verwendete Band ist zwar unbespielt, aber dennoch nicht frei von Geräuschen und Klängen. Bereits die Berührungen mit der Hand oder den Boden schreiben ihre Spuren in die Magnetschicht des Bandes ein. Indem das Band schließlich wieder aufgewickelt und abgespielt wird, werden diese hörbar gemacht und bilden die Tonspur für das Video. Während das Videobild also den Prozess der Klangeinschreibung in das Band zeigt, repräsentiert die Tonspur den anschließenden Abspielvorgang. Im Video werden die beiden zeitlich hintereinander liegenden Ereignisse zur synchronen Einheit und in ihrem konkreten Zusammenhang simultan erfahrbar.

Was wir zu hören bekommen sind eigentlich Störgeräusche, sogenanntes Rauschen, das sich in Zeiten analoger Klangaufzeichnung systembedingt stets der aufgenommenen Information hinzufügte. Da das Band jedoch keinerlei aufgenommene Musik enthält, rücken die vermeintlichen Nebengeräusche, das Rauschen, Summen, Brummen und Knistern, in das Zentrum der Wahrnehmung und entfalten eine ganz eigene Klangwelt. Den einstmals unerwünschten Nebeneffekten verleiht Windisch hierin einen positiv besetzten ästhetischen Eigenwert.

Dabei handelt es sich um ein Phänomen, das im Entschwinden begriffen ist. Mit der flächendeckenden Durchsetzung digitaler Techniken verschwindet das Rauschen. Der digitale Code ist rauschfrei reproduzierbar und unterscheidet damit auch nicht mehr zwischen Original und Kopie. Sowohl das im Video gezeigte Magnetband wie auch die hörbaren Klänge erscheinen als Anzeichen einer jüngst vergangen Zeit, als obsolet gewordene historische Codes, deren künstlerische Neubestimmung gerade aus der Perspektive unserer digitalen Gegenwart heraus gelingen kann.

Neben Bild und Ton weist walk with a wire mit dem eingeblendeten Text eine weitere kommunikative Ebene auf, gleichsam als weiteren Kanal der künstlerischen Mitteilung. In den jeweils einzeiligen Texteinblendungen entwickelt Windisch eine assoziative Gedankenkette um Begriffe von Form, Verlauf, Ort und Zeit. Gezielt eingesetzte Pausen im Textfluss schaffen dabei einen mentalen Raum, in dem die Sätze nachwirken und zugleich neue Freiräume schaffen für die Wahrnehmung von Bild und Ton.

Walk with a Wire ist eine leise Arbeit. Im ruhigen Fluss der Bilder, in der verhaltenen Klanglichkeit und den imaginativen Worteinblendungen entfaltet sich eine höchst suggestive, geradezu meditative Intensität. Wie das Schaffen Franziska Windischs insgesamt ist auch walk with a wire durchdrungen von einer künstlerischen Haltung, die gerade aus der Reduktion und Konzentration ihre besondere Eindringlichkeit bezieht.

Reinhard Buskies

 
 
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